Letzte Aktualisierung 22. Juli 2022

​Bist ​du unsicher, wie ​du mit ​deiner Bewerbung nach einem Burnout umgehen sollst? „Was schreibe ich bloß in die Bewerbung wegen meines Burnout?“ oder „Ich kann mich doch nirgendwo mehr bewerben – was soll ich bloß zu der Lücke im Lebenslauf sagen?“ Diese und ähnliche Fragen höre ich ganz oft von Menschen, die über einen längeren Zeitraum nicht in Arbeit waren, weil sie gesundwerden mussten. Erst einmal: Ich freue mich, dass ​du ​dir die Zeit genommen hast gesund zu werden. Das ist eine entscheidende und wichtige Voraussetzung für ​deine nächste Arbeitsstelle.

 Stellst ​du ​dir ​diese Fragen?

  • Soll ich den Burnout im Anschreiben und ​im Lebenslauf ansprechen?
  • Was ist die größte Gefahr, wenn man als Bewerber das Thema offen anspricht?
  • Welche Begrifflichkeiten kann ich (gefahrlos) in den Unterlagen nutzen?
  • Spreche ich über meinen Erschöpfungszustand im Vorstellungsgespräch?
  • Wenn ich mich für einen offenen Umgang entscheide, wie kann ich im Gespräch argumentieren?

Professionelle Antworten auf diese Fragen gibt Dir HR-Expertin und Bewerbungs-Coach Silke Grotegut. Mit Silke habe ich ein Interview geführt und hier sind ihre Praxistipps für Dich!

Sandra: Ich falle gleich mit der Tür ins Haus, Silke. Wenn ich ein Burnout hatte, soll ich den im Anschreiben und im Lebenslauf offen ansprechen oder rätst du eher dazu, diese doch sehr persönliche Krisensituation zu verheimlichen?

Silke: Diese Frage kann ich leider nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass du als Bewerber immer vorsichtig mit Krankheiten umgehen solltest, sowohl in den Unterlagen, als auch im Gespräch. Der gesundheitliche Zustand des Bewerbers ist Privatangelegenheit und muss daher auch nicht dargestellt werden. Fragen zum Gesundheitszustand werden daher in der Regel auch im Bewerbungsgespräch nicht gestellt, es sei denn eine körperliche Beeinträchtigung oder Krankheit erschwert die Ausübung eines bestimmten Berufs oder macht diese gegebenenfalls unmöglich. Das zum rechtlichen Rahmen.

Die Frage, ob du als Bewerber die eigene Burnout-Erfahrung im Bewerbungsprozess offen ansprichst oder nicht, hängt für mich davon ab, wie du selbst zu deiner Burnout-Erfahrung stehst:

  • Schämst du dich dafür?
  • Ist es für dich eine Niederlage?
  • Oder bist du daran gewachsen und kannst selbstbewusst dazu stehen?

Wenn es für dich kein Problem darstellt, du mit dir und deiner persönlichen Geschichte im Reinen bist, dann wirst du das auch nach außen transportieren können. Und das ist für mich der entscheidende Punkt. Wenn du kein Problem damit hast, und selbstbewusst zu deiner Erschöpfungssituation stehen kannst, dann wird es für dich auch kein Problem sein, offen darüber zu sprechen und darzustellen, was du aus dieser Phase für dich gelernt hast.

Wenn du aber selbst noch an deiner Burnout-Erfahrung knabberst, dich dafür schämst, dann solltest du versuchen, das Thema ganz außen vor zu lassen, denn dein Unwohlsein wird nach außen ersichtlich werden.

​Das ist übrigens für mich auch einer der wesentlichen Punkte, warum ich eine Begleitung in einem Burnout für unabdingbar halte.

Vielleicht kann man sich ohne fremde Hilfe körperlich erholen, aber es hat ja einen Grund, warum jemand in die Erschöpfung geraten ist. Das sind ja nicht die Faulen, die „Nicht-Ambitionierten“, die Drückeberger. Das sind ausnahmslos Menschen, die sehr hart arbeiten, die bereit sind, an ihre Grenzen und darüber hinaus zu gehen, Menschen, die sich sehr stark über Leistung definieren. Für diese Menschen ist die Situation, dass sie nicht mehr können, dass ihr Körper und ihre Seele streikt, dass sie nicht mehr leisten können, eine Katastrophe. Scham darüber, nicht mehr leistungsfähig zu sein und Angst, nicht mehr anerkannt zu werden, nicht mehr dazuzugehören, lassen diese Menschen lange durchhalten. Sie zögern den Zusammenbruch so lange heraus, wie es nur geht. Ich kann das sagen, weil ich das selbst zwei Mal am eigenen Leib erlebt habe.

Ich bin der festen Überzeugung, dass so eine Erschöpfungssituation nur geheilt werden kann, wenn man sich intensiv mit den Ursachen auseinandersetzt. Dann kann ich es für mich annehmen und daraus lernen. Sonst ist der Rückfall vorprogrammiert.

 

Sandra: Silke – du sprichst mir aus der Seele.  Worin siehst du die größte Gefahr, wenn ich als Bewerber das Thema offen in den Unterlagen anspreche?

Silke: Die Gefahr besteht darin, dass das Kopfkino desjenigen losgeht, der deine Unterlagen liest, ohne, dass du darauf Einfluss nehmen kannst. Wenn ich nur die Unterlagen vor mir habe und von einem Burnout lese und die Ausfallzeit sehe und keinen weiteren Eindruck von dem Bewerber habe, dann stelle ich mir unweigerlich folgende Fragen:

  • wie belastbar ist der Bewerber wirklich? Papier ist ja bekanntlich geduldig.
  • Wie groß ist die Gefahr, dass er oder sie wieder ausfällt? Und wenn ja, wie lange?
  • Hat er was aus der Situation gelernt und hat er für die Zukunft ein gutes Selbstmanagement, so dass er nicht nochmal in eine solche Situation kommt?
  • Kennt er jetzt seine Grenzen und respektiert sie? Kann er auch mal nein sagen, wenn er wieder an seine Grenzen kommt? Kann er sich zukünftig gut abgrenzen?

Daher ist mein Tipp, wenn überhaupt, erst im Vorstellungsgespräch zu thematisieren. Im Bewerbungsgespräch kannst du einen umfänglicheren Eindruck davon vermitteln, wo du gerade stehst, wie du mit der Situation umgegangen bist und was du daraus gelernt hast.

Bei Bewerbungen kommt es jedoch immer auf den Einzelfall an. Man kann selten etwas ganz Grundsätzliches sagen. Wenn du dich als Bewerber entscheidest, bereits in den Unterlagen den Ausfall offen zu benennen, dann solltest du auch konkret beschreiben, wie du die Krankheitsphase genutzt hast, was du daraus gelernt hast und welche Konsequenzen du daraus ziehst. Wie immer bei Bewerbungen hilft es enorm, sich in die Situation eines potentiellen Arbeitgebers oder Personalers hineinzuversetzen.

Was ist wichtig für ein Unternehmen, wenn es einen neuen Mitarbeiter einstellt? Eine Firma will eine Stelle besetzen mit jemandem, der verlässlich ist. Planungssicherheit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen. Natürlich wird jeder mal krank und das ist auch einkalkuliert, aber ein Ausfall über mehrere Wochen oder Monate ist, insbesondere für kleine Firmen, schwer zu kompensieren.

Wenn du mir als Bewerber selbstbewusst gegenübersitzt und deine ganz persönliche Geschichte erzählst und mir glaubhaft darstellen kannst, dass

  • du dich intensiv mit den Ursachen auseinandergesetzt hast,
  • du an der Krise gewachsen bist,
  • du gelernt hast, auf dich und deine Bedürfnisse zu achten,
  • du dich um Ausgleich, in welcher Form auch immer, kümmerst,

dann hat das für dich folgende Vorteile:

  • du wirst als Person sehr greifbar, weil du etwas sehr Persönliches von dir preisgibst.
  • ​Du kommst selbstbewusst rüber, denn es gehört ja auch Mut dazu.
  • ​Du kannst eine vermeintliche Schwäche als das darstellen, was sie ist, nämlich eine große Stärke.

Sandra: Genau Silke – „Schwächen können auch Stärken sein“ – vielen Menschen ist das – gerade in oder nach einer solchen Krisensituation nicht bewusst, weil sie eher die Defizite sehen. Erkläre doch mal, wie man eine vermeintliche Schwäche als Stärke darstellen kann.

Silke: Ich denke nicht in Kategorien von Stärke und Schwäche. Für mich gibt es keine absolute Schwäche. Ob etwas eine Stärke oder Schwäche ist, macht sich an der Herausforderung fest, die es zu bewältigen gilt. Jede sogenannte „Schwäche“ ist die Kehrseite einer ausgeprägten Stärke. Eine große Stärke, die ich bei Klienten oft beobachte, die sich bis in die Erschöpfung gearbeitet haben, ist zum Beispiel die Fähigkeit, viel Verantwortung zu übernehmen. Das ist zweifelsohne eine große Stärke und gerade bei Burnout-Betroffenen erlebe ich es häufig, dass sie sich für viel zu viele Dinge verantwortlich fühlen. Sie fühlen und machen sich verantwortlich für Dinge, die im Aufgaben- oder Verantwortungsbereich von Kollegen oder der Führungskraft liegen. Die Folge ist, dass diese Mitarbeiter sich dabei verausgaben, einer Verantwortung gerecht zu werden, die sie gar nicht haben.

Oder zweites Beispiel: Die Bereitschaft, sich sehr mit den eigenen Aufgaben zu identifizieren und alle Energie in den Erfolg eines Projektes zu stecken, ist auch eine sehr große Stärke. Und wenn du es übertreibst, dann bekommt diese große Stärke eine Schattenseite. Du gehst an deine Grenzen und darüber hinaus, verausgabst dich, vernachlässigst deine eigenen Bedürfnisse. Die Selbstfürsorge ist zweifelsohne ein Schwachpunkt bei Menschen, die sich bis in die Erschöpfung arbeiten.

Aber nach einem Burnout ist diese große Stärke, zum Beispiel Verantwortung zu übernehmen oder sich mit den eigenen Aufgaben zu identifizieren ja immer noch da. Das ist für einen Arbeitgeber eine hochwillkommene Fähigkeit.

​Wenn du als Bewerber darstellen kannst, dass du dich ausgebrannt hast, weil du deine ausgeprägte Stärke genutzt hast und dabei übertrieben hast, du aber jetzt Strategien hast, damit zukünftig umzugehen, dann hast du einen großen Pluspunkt.

Sandra: Wie gehe ich als Bewerber denn nun in den Bewerbungsunterlagen mit dem Burnout um, wenn ich ihn benennen will oder muss?

Silke: Wie anfangs schon gesagt, rate ich immer zur Vorsicht, Krankheit direkt zu benennen. Heute sind aber Lebensläufe viel bunter und „krummer“ als noch vor 10, 15 Jahren und das ist auch akzeptiert. Begriffe wie „Sabbatical“ oder „persönliche Auszeit“ führen heute nicht mehr dazu, dass eine Bewerbung direkt in die Tonne wandert. Die beiden Begriffe beispielsweise sind deutlich dezenter als „Ausfall wegen Krankheit“ oder „Burnout“. Gelogen sind sie auch nicht, denn du hattest ja eine persönliche Auszeit, ob du sie nun freiwillig oder unfreiwillig genommen hast. Wenn du in dieser Zeit vielleicht noch eine Weiterbildung gemacht oder eine Sprache gelernt hast, dann kannst du das unter diesem Punkt noch aufführen. So stellst du gleich dar, dass du diese Zeit genutzt hast.

Sandra: Und wie gehe ich das Thema konkret im Bewerbungsgespräch an? Was sage ich bloß, wenn ich gefragt werde, was ich in dieser Zeit gemacht habe?

Silke: Im Bewerbungsgespräch wird mit Sicherheit die Frage auftauchen, aus welchem Grund du eine Auszeit genommen hast und was du mit der Zeit angestellt hast. Ich würde darauf warten, bis der Personaler oder wer auch immer das Gespräch führt, darauf zu sprechen kommt. Wenn du gleich zu Anfang sagst (ich übertreibe jetzt): „Ich muss Ihnen etwas sagen“, dann klingt das gleich wie ein Geständnis und das ist ein Eindruck, den du auf jeden Fall vermeiden solltest.

Wenn dir die Frage gestellt wird, dann kannst du über deine persönliche Erfahrung und dein Umgang mit der Krise berichten. „Ich brauchte eine persönliche Auszeit, weil mein letztes Projekt mich viel Kraft gekostet hast. Ich bin da an meine Grenzen gekommen, weil ich alle meine Energie da hineingesteckt habe. Die Auszeit habe ich genutzt, um mich zu erholen und mich neu zu sortieren.“

Meine Erfahrung ist: je selbstbewusster die Bewerber mit dem Thema umgehen, desto eher wird es auch vom Gesprächspartner akzeptiert. Genauso wenig, wie ich als Personaler erwarte, einen Mitarbeiter ohne „Schwächen“ und „Fehler“ zu finden, genauso wenig erwarte ich, einen aalglatten, stromlinienförmigen Lebenslauf. Da muss ich im Coaching häufig Mythen aus dem Weg räumen. Du darfst ruhig Ecken und Kanten haben. In dem Bestreben, möglichst auf jede Stelle zu passen, scheuen sich viele Bewerber davor, ein klares Profil von sich zu zeigen. Sie schleifen es so lange, bis sie nicht mehr als Person erkennbar sind. Aber wer für den attraktiv sein will, ist am Ende für niemanden attraktiv.

Und wenn ein Unternehmen heute immer noch Wert auf einen geraden, bruchlosen Lebenslauf legt, dann solltest du dich als Bewerber mit deiner Erschöpfungserfahrung eh fragen, ob das der richtige Ort ist.

​Und das ist auch mein Tipp an alle Bewerber: eine Bewerbung ist immer ein beidseitiger Prozess. Du bist als Bewerber nicht der Bittsteller.

​Du hast etwas zu bieten, etwas, was für das Unternehmen, dass dich zum Vorstellungsgespräch einlädt, interessant ist. Ihr trefft euch und prüft euch gegenseitig, ob ihr gut zueinander passt. Insbesondere, wenn du eine Prädestination dazu hast, dich auszubrennen, ist es wichtig vorher abzuklären, was dir bei deinem zukünftigen Arbeitgeber wichtig ist und was du brauchst, um gut für dich sorgen zu können.

Sandra: Oh ja – das sage ich auch immer „Begebe dich nicht in die Bittsteller-Rolle, du hast was zu bieten, du bist einzigartig!“ Wichtig ist ja auch, dass die Menschen ihre eigenen Worte finden, damit sie in der Gesprächssituation auch wirklich selbstsicher sind und vom Gegenüber auch authentisch wahrgenommen werden. Die „richtigen“ Worte erarbeiten wir deshalb ja auch mit unseren Kunden im Coaching.

Silke: Ja genau!

Sandra: Vielen Dank, Silke für deine wertvollen Tipps.

Silke: Sehr gerne!

Silke Grotegut zu Gast bei Sandra Liane Braun

Silke Grotegut ist Karriere-, Bewerbungs- und Laufbahncoach. Sie unterstützt Menschen, die ihre berufliche Zukunft aktiv gestalten wollen, indem sie mit ihnen ein ganz klares Bild ihrer beruflichen Zukunft entwickelt, einen Fahrplan, wie sie dieses Ziel auch erreichen und mit ihnen Bewerbungsunterlagen erstellt, die überzeugen. Sie unterschiedet sich von den meisten anderen Karriere-Coaches dadurch, dass sie selbst viele Jahre als HR-Expertin in einem Dax-Konzern gearbeitet hat und daher die Erwartungen von Personalern und Führungskräften an Bewerber und Mitarbeiter aus eigener Hand kennt. Sie hat eine Zusatzausbildung als Gesundheitscoach und hat selbst zweimal eine Erschöpfungsdepression erlebt. Wer mehr Informationen zu Silke und ihrer Arbeitsweise sucht, findet ihre Seite unter www.silkegrotegut.de.

​PS: Hast Du selbst ähnliche Erfahrungen gemacht? Positive oder negative? Wir freuen uns, wenn Du ​unsere Leser an Deinen Erfahrungen teilhaben lässt. Hinterlasse uns Deine Erfahrung als Kommentar. Danke :-)

PPS: Wenn Du Dir Hilfe dabei wünscht, dein Leben endlich wieder neu und stressfrei zu gestalten und zu genießen, dann trage Dich jetzt ein für ein kostenloses Klarheitsgespräch.

Dein Leben darf leicht sein.

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